Villa des Schweigens by Rylance Ulrike

Villa des Schweigens by Rylance Ulrike

Autor:Rylance, Ulrike [Rylance, Ulrike]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2015-05-04T16:00:00+00:00


14. Kapitel

Ich hatte nachts noch versucht, Nadja zu erreichen, aber die ging nicht ran. War wohl doch sauer. Aus dem Haus wollte ich niemanden sehen, für die war Billy nur ein dämliches Vieh. Und außerdem ... Ich wollte nicht darüber nachdenken, aber dieser Zweig ... Und wie war Billy überhaupt in den Ameisenhaufen gekommen? Reingekrabbelt? Von jemandem hineingelegt worden? Nein, das konnte ich einfach nicht glauben.

Benjamin war nicht mit uns im Pub gewesen. Doch warum sollte er so etwas Schreckliches tun? Die Szene mit Lauren in der Küche ...

Waren Geckos einfach extrem kurzsichtig und rannten blind in ihren Tod?

Schließlich hatte ich mich in den Schlaf geschluchzt und geträumt, dass mir der Steinengel auf den Kopf fiel.

Mit pochenden Kopfschmerzen wachte ich am nächsten Tag auf. Heute sollte die Party sein. Mein Gesicht würde so fleckig und verquollen aussehen, dass Lars wahrscheinlich sofort die Flucht ergreifen würde. Toll.

Ich schleppte mich in die Küche, wo eine fremde Frau gerade zwei Bleche Kuchen abstellte.

»Hallo«, rief sie fröhlich. »Ich bring euch den Bienenstich!«

»Was?«, fragte ich perplex.

»Für eure Party! Ich bin Benjamins Mutter.« Sie ließ sich auf genau denselben Stuhl fallen, auf dem ihr Sohn letzte Nacht Lauren umarmt hatte.

»Ach so. Hallo. Danke«, stammelte ich.

»Na, langen Sie nur zu! Der kann auch jetzt schon angeschnitten werden.« Sie sah so freundlich und mütterlich aus, dass mir der nächste Satz wie von selbst aus dem Mund rutschte.

»Mein Gecko ist letzte Nacht gestorben.«

»Ach!« Sie sah mich mitleidig an. »Das ist ja traurig! Ich weiß noch, wie der Benny sein Meerschweinchen verloren hat. Was hat er da geweint!«

»Der Benny« kam in die Küche und warf seiner Mutter einen peinlich berührten Blick zu. »Mama, danke für den Kuchen, aber du musst echt nicht alles ausplappern.«

»Aber ihr Gecko ist doch gestorben!«

Benjamin drehte sich interessiert um. »Echt jetzt? Ich dachte, die werden steinalt?«

»Er ist ...« Ich holte tief Luft. »Es war ein Unfall.« Oder? Fragte Benjamin absichtlich so was?

Benjamins Mutter stand wieder auf und nahm ihren Autoschlüssel. »Machen Sie ihm ein schönes Grab. Das hat bei Benny auch geholfen.«

»Mama!«

Ich schwieg. Was sollte ich auch sagen? Ich dachte an Billys Überreste, die ich mit einem Stock aus dem Ameisenhaufen gestoßen hatte.

Da gibt's nicht mehr viel zu begraben.

»Das alles hier und dann noch Baguette und Käse. Ach, und Schinken auch noch«, hatte Stefan gesagt. Er hatte mir mit nervtötender Langsamkeit einen Einkaufszettel geschrieben – noch dazu mit einem altmodischen Füller, der in unserer Küche aufgetaucht war. Ein Werbegeschenk von irgendwoher, das wie verrückt kleckste, aber wahrscheinlich fühlte sich Stefan damit wie ein exzentrischer Star oder ein Diplomat. Ich hatte mich freiwillig zum Einkaufen gemeldet, froh darüber, aus der Villa wegzukommen. Ich musste mich ablenken. Das mit Billy war schrecklich, aber nicht zu ändern. Vielleicht war es ja doch meine Schuld gewesen? Wahrscheinlich waren Goldfische die einzigen Tiere, die bei mir überleben würden.

Die Party war schließlich die Gelegenheit, alle mal ein bisschen besser kennenzulernen. Eine richtige WG-Party, wie sie in hunderttausend Wohnungen im ganzen Land alle naselang stattfand.

Ich lief voll bepackt vom Supermarkt zurück und legte die Einkäufe auf den Küchentisch.



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